Italienische Jahre

Wie ich höre, haben Sie Lust, nach Portugal zu gehen. Das hindert mich aber nicht, Ihnen eine hübsche Stellung anzubieten, die Ihnen vielleicht noch günstiger erscheinen dürfte und auch ein südliches Klima bietet. Ventimiglia an der Riviera […] liegt so südlich, wie Sie es sich wünschen können […].

Franz Ledien in einem Brief, der Alwin Berger am 19. Januar 1894 erreichte

Dieser Brief eröffnete Bergers italienische Jahre. Weitere drei Jahre vergingen, bis er letztlich im Juni 1897 nach Italien aufbrach. Im privaten Botanischen Garten des englischen Kaufmanns Sir Thomas Hanbury trat er seine Stelle als Kurator an. Die Zeit bis 1915 war sein wissenschaftlich produktivster und wohl auch persönlich schönster Lebensabschnitt.

Weltkulturerbe am Mittelmeer

Bergers Wirkungsort waren 18 Hektar Küstenhang, die direkt an das Mittelmeer angrenzten. Durch Handel im asiatischen Raum zu Vermögen gekommen, hatte Hanbury das Gelände im Jahr 1867 erworben. Gemeinsam mit seinem Bruder, dem Pharmakologen und Botaniker Daniel Hanbury, plante er den Umbau zum Botanischen Garten. Im Laufe der Jahre wurden die beiden von verschiedenen deutschen Kuratoren unterstützt.

Der Botanische Garten Hanbury gehört seit 2006 zum UNESCO-Weltkulturerbe und untersteht seit 1987 der Verwaltung der Universität Genua. Heute ist nur noch ein Teil der Anlage besuchbar. Viele der im Jahr 1912 verzeichneten etwa 5.800 Pflanzenarten sind allerdings noch immer erhalten. Zu Bergers Lebzeiten war der Garten touristisch wie wissenschaftlich bekannt und angesehen.

Ausblick auf das Mittelmeer vom Garten aus
Blick auf das Mittelmeer vom Botanischen Garten Hanbury

Landschaft und Wissenschaft

Im Botanischen Garten Hanbury gingen die landschaftsgärtnerische und die wissenschaftliche Arbeit Hand in Hand. Berger oblagen weiterhin die gesamte Verwaltung des Gartens und die Aufsicht über 46 Gärtner.

Auch der Tausch von Samen verschiedenster Pflanzenarten mit anderen botanischen Institutionen in Nord- und Südamerika, Australien und Europa gehörte zu den kuratorischen Aufgaben. In dieser Funktion führten ihn viele Geschäftsreisen zu den Wirkungsstätten seiner internationalen Kollegen und Korrespondenzpartner.

Die Möglichkeit, Kakteen und Sukkulenten an den Orten ihres natürlichen Vorkommens zu erforschen, war Alwin Berger durch seine gesundheitliche Konstitution verwehrt. Das milde Mittelmeerklima bot ihm jedoch ausgezeichnete Bedingungen, um die Gegenstände seiner Forschung in seiner unmittelbaren Umgebung anzupflanzen und zu beobachten. In zahlreichen Büchern und Zeitschriftenbeiträgen hielt er seine Erkenntnisse fest.

Kakteen vor dem Palazzo Orengo im Botanischen Garten Hanbury
Kakteen vor dem Palazzo Orengo. Dieser Palast steht inmitten des Botanischen Gartens.

Familiengründung

Nicht nur in fachlicher Hinsicht bot die Arbeit in Italien dem Junggesellen Berger einmalige Gelegenheiten. Ein weiterer Zufall bewirkte, dass Elise Keller bei Hanbury zu Gast war. Ihr Pflegevater war ein Freund der Hanburys und so verschlug es sie auf dem Weg von Kairo nach Großbritannien an die Riviera.

Weniger als ein Jahr nach ihrer Bekanntschaft heirateten sie und Alwin Berger am 6. April 1903. Teil der Familie wurden kurz darauf auch Erich Fritz Ernst Berger (*10. April 1904) und zwei Jahre später Iris Verna Berger (*13. Mai 1906).

Elise Berger (geb. Keller) und Alwin Berger
Elise Berger (geb. Keller) und Alwin Berger

Der Erste Weltkrieg

1907 starb Bergers Chef Sir Thomas Hanbury und hinterließ ihn in der unangenehmen Situation, keinen dauerhaften Arbeitsvertrag zu haben. Unter der Führung von Hanburys Witwe sowie seinem Sohn Cecil wurde das Dienstverhältnis schließlich doch fortgeführt.

Am 23. Mai 1915 waren Bergers italienische Jahre dann endgültig vorüber. Italien trat an diesem Tag in den Ersten Weltkrieg ein, weshalb Berger entlassen wurde. Die Familie reiste daraufhin umgehend nach Deutschland, wo Berger eine neue Anstellung an der Wilhelma in Stuttgart fand. Es sollte nicht das letzte Mal gewesen sein, dass politische Ereignisse Bergers Biografie beeinflussten.