Wilhelma in Stuttgart
Zum Kapitel „Wilhelma in Stuttgart“ empfiehlt sich der Artikel „Aus der Wilhelma verdrängt. Hofgartendirektor Alwin Berger (1871 bis 1931)”, ein Beitrag von Rainer Redies zur Schwäbischen Heimat, Ausgabe 18/4, der maßgeblich für diese Seite herangezogen wurde.
Unter allen Angeboten, die Berger nach der erzwungenen Rückkehr nach Deutschland erhielt, entschied er sich für die Wilhelma in Stuttgart. Im zu dieser Zeit noch ausschließlich botanischen Hofgarten bezog die Familie eine Wohnung. Als Hofgarteninspektor war er für die königlichen Park- und Gartenanlagen in Stuttgart und Hohenheim sowie die Schlossgärten Bebenhausen, Friedrichshafen, Kirchheim-Teck und Ludwigsburg zuständig. Für den Kriegsdienst wurde Berger aufgrund seines Alters von 44 Jahren nicht eingezogen.
In seiner Zeit in Stuttgart engagierte sich Berger in verschiedenen gesellschaftlichen Kreisen, etwa im „Apostelkranz Cannstatt“. Dort trafen sich angesehene Personen des Bildungsbürgertums zu Vorträgen. Berger referierte viermal zu botanischen Themen wie Aloen und Agaven. Während er diese Art der Gesellschaft schätzte, waren ihm die Bürokratie und die Verwaltungsarbeit in Stuttgart ein Dorn im Auge. Er vermisste wissenschaftliche Betätigung.
Politische Verwicklungen
Anlässlich des 25. Regierungsjubiläum des Königs von Württemberg 1916 wurde Alwin Berger zum Königlichen Hofgartendirektor ernannt. Im gleichen Zuge wurde er für Heimatverdienste während des Ersten Weltkriegs mit dem Wilhelmskreuz geehrt. Dass ihm diese Verbindung zur Monarchie einmal Probleme bereiten würde, ahnte er zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Berger entwickelte im Folgenden den Plan, die Wilhelma in einen volkstümlichen botanischen Garten umzuwandeln. Er plante die Anlage weiterer Gewächshäuser und eine stärkere Beteiligung der Öffentlichkeit. Hierzu veröffentlichte er einige Zeitungsartikel und sprach bei verschiedenen einflussreichen Personen vor. Schließlich erhielt er Unterstützung, unter anderem vom Präsidenten des Kultministeriums Karl von Bälz sowie von Professor Karl von Goebel, dem Leiter des Münchener Botanischen Gartens. Trotz des Fürspruchs, auch aus der interessierten Öffentlichkeit, wurden seine Pläne nicht mehr unter seiner Führung umgesetzt.
Aus dem Amt gedrängt
Erst kürzlich konnte durch Zeitungsbeiträge und wenige Akten nachvollzogen werden, welcher Schikane Berger in Stuttgart ausgesetzt war. Einen ausdauernden Widersacher fand er in Oberfinanzrat Gerhardt. In Briefen an Bergers Vorgesetzten setzte dieser sich unter anderem dafür ein, der Familie Berger mindestens einen Teil der zur Verfügung gestellten Wohnung zu entziehen. Auch das Fehlen einer akademischen Ausbildung brachte Gerhardt als Argument gegen Bergers Position an der Wilhelma in Stuttgart vor.
Konnten diese ersten Provokationen noch abgewehrt werden, war sein nächster Schritt schon schwerwiegender: Im Juni 1920 wurde die Auflösung des Hofgartenamts verfügt, das fortan dem Finanzamt Stuttgart-Amt unterstellt war. Berger war daraufhin lediglich für den botanischen Betrieb der Wilhelmagärtnerei und der Schlossgärtnerei zuständig. In diese weitreichende Entscheidung war er selbst nicht eingebunden. Der Vorgang wurde in Leserbriefen des „Merkur“ und im „Tagblatt“ diskutiert.
Der Öffentlichkeit in Stuttgart [kann es] nicht gleich gültig sein, ob durch solche Torheiten, um einen gelinden Ausdruck zu gebrauchen, eine Kapazität auf dem Gebiet des Gartenwesens, wie wir sie in Alwin Berger besitzen, uns erhalten bleibt, oder ob sie sich nach einem anderen Feld der Betätigung umsieht.
Stuttgarter Neues Tagblatt, Abendausgabe vom 6. August 1920, Seite 5
Schließlich wurde zumindest der Verkauf der Wilhelma-Anlage vereitelt. Berger selbst, der zwar weiterhin sein Gehalt bezog, aber faktisch aller Befugnisse benommen war, legte 1922 sein Amt nieder. Über die verordnete Untätigkeit war er verzweifelt.
Zum Vergessen gebracht
In „Stuttgarts Kleinod“, einem Band über die „Geschichte des Schloßgartens, Rosensteins sowie der Wilhelma” von 1936, verschwieg der nunmehr pensionierte Oberfinanzrat Gerhardt Alwin Bergers Position als Königlicher Hofgartendirektor. Auch zahlreiche Akten, die die beschriebenen Ereignisse belegen könnten, sind verschwunden. Ob dies dem Zufall oder den Absichten seines Widersachers geschuldet ist – es bewirkte ein nachhaltiges Vergessen der Beiträge, die Berger zur Wilhelma in Stuttgart leistete.
Was aber löste die strikte Abneigung aus, die Bergers entgegenschlug? Elise Berger macht die Königstreue ihres Ehemanns und seine mangelnde Bereitschaft, mit der Revolution die Gesinnung zu wechseln, für die Schikane verantwortlich. Weitere Belege für diese Vermutung gibt es bisher nicht. Oberfinanzrat Gerhardt erwies sich in den späten 1930er Jahren mit einer Schmähschrift über Joseph Süß Oppenheimer als glühender Antisemit. Dies wirft die Frage auf, ob sein Hass weniger Alwin Berger als vielmehr seiner jüdischen Frau Elise galt. Das Fehlen wichtiger Dokumente verhindert an dieser Stelle weitere Nachforschungen.